Feuerwehr

Schwarzenbek

Strahlenschutzübung

Samstag, 26.11.2005 12:55 von Jan Piossek

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Es ist genau 13 Uhr, als der Einsatzwagen der Feuerwehr abseits der Straße stoppt. Drei Männer in weißen Schutzanzügen und mit Atemschutzmasken vor dem Gesicht steigen aus. Auf einem mit einer leichten Schneedecke überzogenen Feld bei Neu Gülzow (Kreis Herzogtum Lauenburg) entnehmen sie Bodenproben, schneiden mit einer Grasschere etwas vom Bewuchs ab und saugen mit einer Spezialpumpe etwas Luft ein. Sie suchen nach einer möglichen radioaktiven Verschmutzung der Region rund um das nahe Kernkraftwerk Krümmel bei Geesthacht. Cäsium oder Jod könnten sich nach einem atomaren Störfall hier abgelagert haben, so das für eine Großübung angenommene Einsatzszenario, das gestern etwa 800 Einsatzkräfte in Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern abarbeiteten.

Gegen 6 Uhr, so sah es die angenommene Situation als Grundlage der Übung vor, hatte es in dem Kernkraftwerk am Elbufer einen technischen Defekt gegeben, durch den über den Abluftkamin radioaktive Stoffe ausgetreten waren. "Für solche Fälle haben wir ganz genau festgelegte Vorgehensweisen", erklärt Hans-Dieter Lucht, der Leiter des Krümmeler Kraftwerkes. 45 Mitarbeiter kümmerten sich unter seiner Regie im Inneren des Kraftwerkes um die Beherrschung der Situation. Im 25 Kilometer-Radius um Krümmel herum machten sich in der Zwischenzeit vor allem ehrenamtliche Helfer der Feuerwehren daran, die Strahlenbelastung in der Region zu ermitteln.

Die Messtrupps versorgten lokale Messzentralen mit Proben von örtlich genau festgelegten Sammelstellen, so dass dort die Strahlenbelastung ermittelt wurde. Die so genannte Gammaspektronomie zeigt ganz genau auf, in welcher Intensität Strahlung vorliegt. "Die Geräte sind extrem empfindlich und zeigen schon kleinste Werte an", erklärt Jens Imhof vom Labor des Kernkraftwerkes.

"Das Unglück in Tschernobyl war hier für uns auch eine Erfahrung, denn erstmals konnten wir mehr als die natürliche Belastung ermitteln", sagt er. Je nachdem, wie die Oberfläche an den Messpunkten beschaffen ist, bekam er gestern verschiedene Proben zur Auswertung: Tüten mit Erde, Sedimente vom Grund der Elbe, Gläser voller Schnee oder einfach nur abgeschnittenes Gras und eingesammelte Blätter. "Wir benötigen die oberste Schicht, denn darauf lagert sich der radioaktive Niederschlag ab", erklärt Harald Sauck. Je nach Windstärke und -richtung sowie Regen oder Trockenheit landet die Strahlung in einem engen oder weiten Umkreis am Boden.

Die drei Feuerwehrmänner in ihren weißen Schutzanzügen vom "Florian Lauenburg 02/94/1" stehen bei ihrer Probenentnahme in Neu Gülzow unter strenger Beobachtung. Schiedsrichter aus anderen Landkreisen, in denen es ebenfalls Kernkraftwerke gibt, beurteilen ganz genau, ob die Einsatzkräfte ordnungsgemäß vorgehen. Die Sitze und den Boden ihres Erkundungsfahrzeuges haben die Retter mit Folie abgeklebt, um das Fahrzeug nicht zu verschmutzen. Wie im Ernstfall.

Von der früheren Praxis, Erkenntnisse zur Lage per Fax zwischen den einzelnen Behörden zu verschicken, haben sich die Verantwortlichen jetzt verabschiedet. "Das dauerte zu lange und hat wegen der eigenen Möglichkeiten der Beurteilung zu unterschiedlichen Maßnahmen geführt", erklärt Ulrich Lorenz, Staatssekretär im Kieler Innenministerium. Die Kraftwerksbetreiber haben jetzt eine neue Software entwickelt und bezahlt, die jetzt in allen norddeutschen Ländern genutzt wird. "Die Basis, mit der alle Einheiten arbeiten, ist für eine optimale Hilfe ganz entscheidend. Und die ist jetzt dank er Software überall gleich", sagt Lorenz. Künftig soll dieses System gemeinsam mit den angrenzenden Ländern auch an den anderen schleswig-holsteinischen Kraftwerksstandorten eingeführt werden. Lorenz: "Gutes kann man immer besser machen, aber seit Beginn unserer länderübergreifenden Kooperation mit der ersten Großübung in Krümmel 1999 sind wir ein gutes Stück voran gekommen.

Die neue Datenbank für die Messdaten, die alle zentral in Kiel einlaufen, ermöglicht im Ernstfall eine bessere Reaktion der Behörden auf die Situation. "Im Lagezentrum in Kiel muss auf die Lage reagiert werden. Und zwar so, dass man keine überhasteten Entscheidungen trifft, die die Bevölkerung nur beunruhigen würden, aber auch nicht zu zögerlich", berichtet Johannes Kuhlen vom Bundesumweltministerium. Er und weitere Experten aus Deutschland und sogar aus Dänemark informierten sich im Übungsgebiet, um mögliche Maßnahmen künftig einheitlich zu organisieren. Kuhlen: "Katastrophenschutz ist zwar Ländersache, aber meiner Meinung nach wäre es wünschenswert, die wenigen Kompetenzen auf diesem Gebiet zu bündeln. Gerade radioaktive Stoffe können sich sehr weit ausbreiten, da bedarf es einer einheitlichen Einschätzung und Handlungsweise."

Damit Menschen rund um Krümmel sich bei einem Strahlenunfall zunächst selbst schützen können, haben kürzlich alle Menschen im 20 Kilometer weiten Umkreis Berechtigungsscheine bekommen, mit denen sie in Apotheken vorsorglich Jod-Tabletten erhalten. Sie sollen bei einem Unglück eingenommen werden und verhindern, dass sich in der Schilddrüse krebserregendes Jod ablagern kann. Staatssekretär Lorenz betont, dass weder diese Tabletten-Aktion noch die Übung einen konkreten Anlass haben. "Es ist unsere Aufgabe, uns auf alle möglichen Katastrophenfälle einzustellen", sagte er nach Ende der Übung "Krümmel 05".

"Es hat etwa eineinhalb Jahre gedauert, diese Übung vorzubereiten", sagt Kraftwerksleiter Lucht. "Ich finde nach bisherigen Erkenntnissen, dass die Übung sehr gelungen ist. Das Miteinander der beteiligten Behörden hat gut geklappt", meint er. Ach der Hamburger Staatsrat Dr. Stefan Schulz war zufrieden. "Wir werden mit den benachbarten Ländern weiterhin kooperieren, denn so bieten wir der Bevölkerung den best möglichen Schutz", sagt er. Alle Übungspunkte auszuwerten werde noch einige Zeit dauern, erklärten die Experten, aber es seien wohl nur noch Details, die man optimieren könne. Selbst die medizinische Versorgung von Menschen sowie deren Dekontamination, also Reinigung nach einer radioaktiven Verschmutzung, wurde gestern geübt: Dafür
durchliefen 50 Darsteller in Hamburg eine Notfallstation.

Das Kernkraftwerk Krümmel wird bis 2006 durch eine Modernisierung zum größten deutschen Siedewasserreaktor aufgerüstet. Es leistet künftig mehr als 1400 Megawatt. 350 Mitarbeiter kümmern sich um den Betrieb und die Sicherheit der Anlage.

 

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